Positionen des Deutschen Chorverbands

Lasst uns Kinder besser schützen!

Singende Kinder und junge Menschen brauchen sichere Rahmenbedingungen!

Chorsingen bringt Spaß und Freude für Menschen jeden Alters. Chöre, Chorleiter:innen und Ehrenamtliche leisten großartige Arbeit für den Zusammenhalt und die Kultur. Vereine und Verbände sind aber auch Handlungsräume, in denen sexualisierte Gewalt, physische Gewalt, psychische Gewalt und Peer-to-Peer Gewalt (Übergriffe und Gewalt unter Kindern und Jugendlichen) stattfinden können und stattfinden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu einer Million Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexualisierte Gewalt durch Erwachsene erfahren mussten und erfahren. Das sind rund ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse.¹ Betrachten wir die Anzahl der Kinder, die über Generationen hinweg in unseren Chorgemeinschaften und Vereinen aktiv sind, sowie die öffentlich gewordenen Fälle bis hin zu Verurteilungen in der Chorszene, wissen wir, dass auch Kinder in unseren Strukturen von sexualisierter Gewalt, innerhalb bzw. außerhalb des Vereinslebens, betroffen sind.

Dem Leid widmen wir große Aufmerksamkeit. Wir schauen bewusst hin. Wir tragen aktiv Sorge dafür, dass Chöre zu einem sichereren Ort werden - für Alle!

In die Erhebungen der WHO ist nicht einmal die Anzahl an emotionalen und auf Machtausspielung basierenden Übergriffen einbezogen, wie Einschüchterungen, Anschreien und Beschimpfungen, Drohungen, Demütigungen und Abwertungen und bewusstes Ignorieren, Ein- und Aussperren, absichtliches Lustigmachen, Missachtung oder Kontrolle der Privatsphäre, Verbreitung von Gerüchten, Belästigung und (emotionale) Erpressung. Doch auch diese Formen von Gewalt finden auch in Verbands- und Chor-Strukturen unbeabsichtigt oder beabsichtigt statt und erzeugen eine Verschiebung der Machtverhältnisse, die potenzielle Täter:innen ausnutzen können.

Proben, Chor-Reisen, Konzertveranstaltungen, Tagungen, Chorfeste und Festivals sind Handlungsräume unserer Chor-Verbandsarbeit. Jede:r Veranstalter:in ist verantwortlich dafür, eigene Veranstaltungen sowie das Vereins- bzw. Verbandsleben sicherer für Kinder und junge Menschen zu gestalten.

Freundschaftliche Verhältnisse sind die Grundlage ehrenamtlichen Engagements in unseren Vereinen und Verbänden. Auf ihnen basiert unser gemeinschaftliches Miteinander. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, dass dies ausreicht, um beabsichtigte oder unbeabsichtigte Grenzverletzungen zu verhindern und Gewalttaten vorzubeugen.

Schutzkonzepte wirken präventiv, sensibilisieren uns im Umgang miteinander, fördern und beleben die Chorstrukturen.  Deshalb entwickeln und implementieren wir Schutzkonzepte. Die Deutsche Chorszene erkennt ihre Verantwortung und handelt danach.

Vermutlich wird es nie möglich sein, alle Grenzüberschreitungen zu verhindern. Mit Schutzkonzepten können wir dennoch während ihrer Entwicklung und mit ihrem Einsatz viel dafür tun, dass Übergriffe verhindert werden. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel

  • bei Veranstaltungen Maßnahmen einführen, die präventiv wirken,
  • gemeinsame Verhaltensregeln einführen, die es uns leichter machen, Grenzüberschreitungen zu erkennen und diese zu thematisieren,
  • Wege für offene und anonyme Mitteilungen für Betroffene transparent gestalten und offensiv bekannt machen,
  • uns mit Wissen und Gesprächstechniken ausstatten, um mit Betroffenen-Informationen gut umzugehen,
  • unsere Veranstaltungen so gestalten, dass potenzielle Täter:innen keinen Fuß auf den Boden bekommen.

Im Deutschen Chorverband und seinen Mitgliedsverbänden arbeiten wir daran, dass alle Arbeitsbereiche, Programme, Projekte und Veranstaltungen wirksame Schutzkonzepte leben - für Kinder bis 14 Jahre, für Jugendliche bis 18 Jahre, für junge Menschen bis 27 Jahre und auch für Erwachsene (hier als Awareness-Konzepte bekannt).

Lasst uns Schutzkonzepte entwickeln, durchsetzen und überall leben!

Diese Position wurde auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Chorverbands am 2. November 2024 auf Antrag der Deutschen Chorjugend (DCJ) verabschiedet. Der Antrag der DCJ basierte auf der Magdeburger Erklärung zur Notwendigkeit von Kinderschutzkonzepten in der Chorszene vom Deutschen Chorjugendtag (8. September 2024).

¹ Zahlen zu sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland: beauftragte-missbrauch.de